Hinten anstellen

Hinten anstellen

Biograd, Kroatien. August 2011. Morgen geben wir unser Schifflein, die ‚Lebic‘, zurück. Ein Segelboot. Wir müssen heute noch volltanken. Denn morgen geben natürlich alle ihre Schifferl zurück. Daher müssen heute alle noch volltanken. Schon von Weitem sehen wir, dass sich eine ‚Schiffs-Schlange‘ vor der Tankstelle gebildet hat. Schätzungsweise 10 oder 12 Booterl sind vor uns dran. Naja, kann man nichts machen.

Aber… die hier haben einen Vogel! Zu dieser Tankstelle fährt man nicht einfach hin, tankt und fährt dann weiter – nein, sie ist so gebaut, dass man ‚hinein‘-fahren muss und dann aschlings wieder heraus, bevor der nächste einfahren kann. Sowas dauert natürlich. Auch deshalb, weil wohl viele Hobby-Kapitäne unterwegs sind, die nicht wirklich im rückwärts Ausparken geübt sind. Dann stoppen wir mal mit: es dauert 13 Minuten, bis ein Schiff abgefertigt ist. Aber… aber… das sind ja dann 2 ½ Stunden, bis wir drankommen. Schieße!

Ein Schifferl nach dem anderen kommt an. Hinter uns haben sich schon weitere sechs Boote angestellt. Ja… was ist denn das? Da kommt einer mit seinem Segelbooterl herbeigefahren und stellt sich nicht hinten an, sondern halbrechts von uns auf etwa gleicher Höhe. Er lauert darauf, sich in die Schlange vor uns reinzudrängen.

Roswitha meint gelassen, dass das immer so sei. Am rücksichtslosesten seien die Italiener. Vor der Tankstelle herrsche manchmal so richtig das Faustrecht. Aber sie würde kein Risiko eingehen mit dem Boot. Da würde sie ihn lieber reinlassen. Memme! Wenn’s nach uns geht, wird er das nicht schaffen! Das lassen wir nicht zu! Aber wie verhindern wir das? Mit einem Auto hätten wir Erfahrung. Da würden wir halt dem Vordermann so knapp an die Stoßstange fahren, dass er keine Chance zum Hereindrängen hätte. Aber wie macht man das mit einem Schiff? Wir feuern Roswitha an, an unser Vorderschiff aufzuschließen. Aber das scheint nicht so einfach zu sein. Roswitha ist etwas heikel auf unser Boot. Jedenfalls will sie es nicht versenken… Nicht ganz verständlich, wo wir doch eh alle schwimmen können.

Da! Jetzt ist es so weit! Er will sich reindrängen! Kommt ja gar nicht in Frage! Roswitha, tu was! Pepi ist ganz aufgeregt, hüpft herum wie ein Rumpelstilzchen. Das gibt’s doch nicht! Das darf er nicht! Siegi pfeift. Wenn Siegi pfeift, ist das nicht einfach ein Pfiff, es ist ein schriller Ton, der einem durch Mark und Bein geht. Den Pfiff hört man sogar bis Biograd, Zagreb und New York. Und der Pfiff ist der Auftakt. Pepi beginnt zu schreien. Dieter beginnt zu schreien. Karl beginnt zu schreien. Am Boot vor uns beginnt man zu schreien. Am Boot hinter uns. Und am Boot dahinter… Wir wissen nicht genau, in welcher Sprache wir schreien sollen, daher schreien wir oberösterreichisch:
»bist a wengal deppat?«
»auf wos glaubst, dass mia woaten?«
»schleich di daune do«
»stö di gfälligst hintn au«
»waun i di dawisch, daunn…«

Auf dem Reindränger-Boot scheint man zu verstehen, worum’s uns geht. Die leicht überwutzelte Dame auf dem Vorderdeck ruft »wir warten!« Na also! Aber sie lauern weiter. Fahren manchmal ein wenig näher. Lassen sich wieder wegtreiben. Typisch Itaker! Wir bleiben wachsam… springen auf, wenn er zu nahe kommt, blicken finster hinüber… Wobei ‚finster‘ gar kein Ausdruck ist…

Letztendlich scheinen wir ihn abgeschreckt zu haben. Er drängt sich tatsächlich nicht vor uns herein. Hinter uns warten jetzt schon an die 20 Schiffe. Na, wenn er die alle abwarten muss, ist Bucht schon zugefroren.

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